Wir möchten vorab betonen, dass wir hier lediglich den derzeitigen Stand der Wissenschaft darstellen – und keine pauschale Handlungsempfehlung aussprechen. Eins ist jedoch sicher: Eine individuelle Untersuchung ist durch nichts zu ersetzen.
Die deutsche ‚Nationale Versorgungsleitlinie‘ besagt, dass: „Bei akuten und wiederkehrenden Kreuzschmerzen ohne relevanten Hinweis auf gefährliche Verläufe oder andere ernstzunehmende Pathologien in Anamnese und körperlicher Untersuchung keine bildgebende Diagnostik durchgeführt werden soll.“ Des Weiteren empfiehlt die Richtlinie, dass „die Wiederholung der Bildgebung ohne relevante Änderung des klinischen Bildes nicht erfolgen soll.“1
Ergänzend ist zu sagen, dass diese Empfehlung sich vor allem auf Beschwerden bezieht, die ohne Trauma aufgetreten und nicht von Kraftminderungen oder Sensibilitätsstörungen begleitet sind.
Groß angelegte Untersuchungen haben gezeigt, dass bei vielen Patienten ohne Rückenbeschwerden auch Veränderungen in der MRT-Aufnahme zu sehen waren. So zeigten bereits 37 Prozent der 20-Jähringen – ansteigend bis zu 96 Prozent der 80-Jähringen – Verschleißerscheinungen der Bandscheiben. Bandscheibenvorfälle können bei Patienten ohne Beschwerden bereits bei 29 Prozent der 20-Jähringen – ansteigend bis 43 Prozent der 80-Jähringen – nachgewiesen werden2,3.
Das legt den Schluss nahe, eine MRT-Untersuchung wäre irrelevant
Dem ist nicht immer so: Denn Menschen, welche an Rückenbeschwerden leiden, zeigen zu einem höheren Prozentsatz Veränderungen an der Wirbelsäule als diejenigen, welche keine Beschwerden haben. Es gibt auch Fälle, in denen ein MRT zum Ausschluss von ernsthaften Problemen oder zur Vorbeugung bleibender Schäden notwendig und sinnvoll ist.
Bevor Sie sich jedoch für ein MRT entscheiden, sollten Sie ein ausführliches Gespräch mit einem Therapeuten oder Arzt führen – und sich einer gründlichen körperlichen Untersuchung unterziehen. Ein MRT sollte dazu dienen, einen Verdacht zu bestätigen oder mögliche Diagnosen auszuschließen.
Eine Aussage wie „das tut jetzt schon so lange weh, ich will jetzt einmal nachschauen lassen“ ist meist keine gute Begründung für eine Bildgebung.
Jede Wirbelsäule verändert sich im Laufe des Lebens
Vor einer MRT-Untersuchung sollte uns bewusst sein, dass sich die Wirbelsäule im Laufe des Lebens verändert. Dieser natürliche Prozess muss keine Beschwerden verursachen. Doch allein, dass uns ein Befund vorliegt, welcher einen Schaden beschreibt – und eventuell auch ein konkretes Bild, welches den Schaden zeigt – kann uns emotional so belasten, dass der Heilungsprozess erschwert oder verlangsamt ist.
So haben Untersuchungen gezeigt, dass eine frühzeitige MRT-Untersuchung zu länger anhaltenden Einschränkungen und Schmerzen führen und höhere Behandlungskosten verursachen kann; sowie regelmäßiger Operationen nach sich zieht4.
Deutschland ist im Übrigen im Hinblick auf die Häufigkeit von MRT-Untersuchungen Spitzenreiter in Europa (Quelle: statista.com 2020).
1Rittner, H., Hasenbring, M., Wessels, T. & Geldmann, P. Nationale VersorgungsLeitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz Kurzfassung. https://www.leitlinien.de/mdb/downloads/nvl/kreuzschmerz/kreuzschmerz-2aufl-vers1-kurz.pdf (2017).
2Brinjikji, W. et al. Systematic Literature Review of Imaging Features of Spinal Degeneration in Asymptomatic Populations. American Journal of Neuroradiology 36, 811–816 (2015).
3Brinjikji, W. et al. MRI Findings of Disc Degeneration are More Prevalent in Adults with Low Back Pain than in Asymptomatic Controls: A Systematic Review and Meta-Analysis. American Journal of Neuroradiology 36, 2394–2399 (2015).
4Rao, D., Scuderi, G., Scuderi, C., Grewal, R. & Sandhu, S. J. The Use of Imaging in Management of Patients with Low Back Pain. J Clin Imaging Sci 8, 30 (2018).
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